Es gibt Begegnungen, deren Schatten länger sind als die Erinnerung an sie selbst. Eine solche Begegnung widerfuhr mir kürzlich auf X. Es war kein zufälliges Aufeinandertreffen, sondern eine jener Fügungen, durch die uns das Leben die tieferen Abgründe offenbart, um uns erkennen zu lassen, wohin die menschliche Seele taumeln kann, wenn sie ohne Halt ist.
Dort begegnete ich einem Mann, dessen Worte vor Selbstgewissheit strotzten und sich in goldenen Lettern aus Quantenmechanik kleideten. Seine Botschaft war ebenso einfach wie verhängnisvoll: Der Mensch, so behauptete er mit durchdringender Gewissheit, sei dazu bestimmt, zu einem gottgleichen Wesen zu werden. Mehr noch, er selbst sei bereits auf diesem Pfad weit vorausgeeilt, den anderen weit überlegen. Seine Reden schäumten von Erkenntnissen über quantenphysikalischen Verschränkungen und universeller Schöpfermacht, als sei das gesamte Universum nur darauf bedacht, als Dienstleister seinem Willen zu dienen.
Eine Frage meinerseits wurde von ihm als Angriff gewertet, jede Skepsis als Ausdruck meiner spirituellen Rückständigkeit abgetan. Schnell wurde mir klar, dass dieser Austausch keiner war. Es war die Begegnung mit einem Geist, der sich schon längst nicht mehr in der Wirklichkeit bewegte, sondern im eigenen, selbst erschaffenen Spiegelbild seiner Größe verfangen war. Es war eine Form von spirituellem Wahn, getarnt als moderne Weisheit, von einer Sucht genährt, die größer war als jeder materielle Hunger: der Sucht nach dem Gefühl, ein Gott zu sein.
Ich zog mich zurück, doch die Begegnung haftete in meinem Bewusstsein wie ein Splitter im Fleisch, den man weder verdrängen noch vergessen kann. Denn dieser Mann war kein Einzelfall. Er war lediglich das Symptom eines tiefer liegenden Problems, einer Falle, in die unzählige Menschen laufen, geblendet vom Glanz der falschen Versprechen, getrieben von der Sehnsucht nach unbegrenzter Macht und Freiheit, ohne zu ahnen, welchen Preis ihre Seele dafür zahlt. Ich erkannte, dass es eine Falle war, tiefer und gefährlicher als jede andere, eine spirituelle Falle, die den Namen New Age trägt. Ein Labyrinth, aus dem herauszufinden unendlich schwieriger ist, als hineinzugehen. Denn hier kämpft der Mensch nicht nur um seinen Platz in der Welt, sondern um die Wahrheit seiner Seele selbst. Es wurde mir bewusst, dass wir nicht am Anfang einer neuen Spiritualität stehen, sondern mitten in einem uralten Kampf, dessen Ziel nicht weniger war als die geistige Herrschaft über den Menschen.
Was wir heute Spiritualität nennen, ist keineswegs eine moderne Erscheinung. Seit Anbeginn der Menschheit ringt die Seele um Erkenntnis und strebt danach, das Unsichtbare zu erfassen. Doch nie zuvor wurde dieses Streben so massiv manipuliert und verdreht wie in unserer Zeit. Der Mensch ist anfällig geworden für spirituelle Täuschungen, genährt von einer Kultur der sofortigen Befriedigung, die keinen Raum mehr lässt für Geduld, Demut oder wahres inneres Wachstum.
Das New Age verspricht dem Suchenden alles, wonach er verlangt: schnelle Erfüllung, leichte Lösungen, Wohlstand, Gesundheit und Macht. Doch die Wurzeln dieser vermeintlich neuen Bewegung sind alt und reichen tief in eine dunkle Vergangenheit zurück. Bewusst gestreute Falschinformationen verwirren und verleiten die Menschen, bis sie schließlich glauben, sie könnten das Göttliche in sich erzwingen und kontrollieren. Sie verlieren den Bezug zur Realität, zur natürlichen Ordnung, zur Wahrheit ihres Seins.
In der heutigen spirituellen Landschaft sind viele dieser Verirrungen zur Norm geworden. Was einst tiefer Ausdruck wahrer Suche war, ist heute zur Ware verkommen, vermarktet und verkauft als schnelle Erleuchtung und sofortiges Glück. Dabei vergessen wir, dass die wahre spirituelle Reise lang und oft schmerzhaft ist, geprägt von der Konfrontation mit uns selbst und unseren Schatten. Die Verführer der New Age Bewegung wissen dies und verschweigen es bewusst, da sie genau wissen, wie leicht der Mensch der Illusion verfällt, er könne mühelos Gott werden.
Am Ende des 19. Jahrhunderts erwachte ein neuer Hunger nach okkulter Erkenntnis, der eine ganze Generation in seinen Bann zog. Madame Helena Blavatsky gründete die Theosophische Gesellschaft, deren Lehren mystische Erkenntnisse des Ostens mit westlichem Denken verbanden. Bald darauf erhob Rudolf Steiner die Anthroposophie aus dem Boden dieser neuen spirituellen Bewegung und schuf eine Lehre, die den Menschen als Mittelpunkt einer geistigen Evolution sah.
Parallel dazu entstanden magische Orden wie jene um Aleister Crowley, der die Losung “Tu, was Du willst, soll sein das ganze Gesetz” verbreitete und damit eine neue, radikal selbstbezogene Spiritualität schuf. Der indische Gelehrte Jiddu Krishnamurti sollte als junger Mann gar als „Weltenlehrer“ installiert werden, verweigerte sich jedoch dieser Rolle. Durch den Verzicht wurde er einer der größten Lehrer unserer Zeit.
In Deutschland spaltete sich der Okkultismus, als Adolf Hitler und Rudolf Steiner innerhalb der geheimnisvollen Thule-Gesellschaft in Konflikt gerieten. Dieses Zerwürfnis führte zur Polarisierung zwischen den Esoterikern, die tiefe spirituelle Erkenntnis suchten, und den Exoterikern, die diese Erkenntnisse für politische und weltliche Macht missbrauchten.
Diese frühen Bewegungen legten den Grundstein für jene spirituellen Irrwege, die bis heute Menschen verführen und in die Irre leiten.
Die kulturelle Revolution der 1960er Jahre trug tief verborgen einen spirituell-okkulten Kern. Sie war nicht nur Ausdruck jugendlicher Rebellion, sondern auch eine bewusste Abkehr von traditionellen Werten und spirituellen Wahrheiten. Gruppen wie die Beatles trugen östliche Mystik in den Westen, populär gemacht durch Figuren wie Maharishi Mahesh Yogi. Es öffneten sich auch Tore für eine Kultur der Bewusstseinserweiterung durch Drogenexperimente und radikal subjektive Spiritualität. Die Devise „Tu, was Du willst“ wurde zur neuen moralischen Maxime. Was zunächst als Befreiung erschien, führte jedoch bald zur Verwirrung und zu einer geistigen Beliebigkeit, in der alles erlaubt und nichts mehr verbindlich war. Damit begann die tiefe innere Entwurzelung, aus der bis heute Menschen versuchen, ihren verlorenen spirituellen Halt wiederzufinden.
Mit der Veröffentlichung von „The Secret“ erhielt die spirituelle Täuschung eine neue, glitzernde Fassade. Die Botschaft lautete: Du kannst haben, was immer Du Dir wünschst, denn das Universum steht Dir zur Verfügung. Affirmationen und Manifestationen wurden zur populären Praxis, und der Gedanke, dass allein Dein Wille zählt, wurde zum universellen Credo. Doch was scheinbar funktionierte und Menschen materiellen Erfolg brachte, war in Wahrheit ein Weg der spirituellen Entfremdung. Menschen wie Dr. Richard Bartlett, Begründer von „Matrix Energetics“, wurden zunächst gefeiert und dann tragisch zerstört. Sie hatten vergessen, dass der Mensch nicht zum Gott gemacht wurde, sondern um seinen Platz im göttlichen Plan zu erfüllen. Eine bittere Wahrheit, die letztlich unausweichlich ist. Der Leser möge sich ein Bild machen und sich Videos von Dr. Richard Bartlett von früher und heute anschauen.
Die verhängnisvollste aller spirituellen Täuschungen liegt in der Annahme, dass der Mensch selbst göttlich sei. Dieser Irrtum nährt die Illusion grenzenloser Macht und absoluter Freiheit. Doch wie Ikarus, der sich mit wächsernen Flügeln der Sonne näherte, steigt der Mensch nur empor, um letztlich tragisch zu fallen. Wir Menschen sind keine Götter, sondern geistige Wesen mit einer klaren, unumstößlichen Aufgabe in der Schöpfung. Diese Aufgabe ist nicht, zu herrschen, sondern zu dienen: dem Höheren, der Wahrheit und der Ordnung des Universums. Genau darin liegt nicht nur Bestimmung, sondern auch die Kraft des Menschen. Sobald wir dies vergessen und beginnen, das uns nicht Zustehende zu ergreifen, begehen wir spirituellen Diebstahl, der stets zum Verlust unserer inneren und äußeren Integrität führt.
Der freie Wille ist ein Geschenk, aber auch eine Prüfung. Wer ihn missbraucht, um gegen die natürliche Ordnung aufzubegehren, erfährt unweigerlich eine tiefe innere Leere. Unsere wahre Natur liegt nicht in der Erhebung zum Göttlichen, sondern in der bewussten Anerkennung unserer geistigen Begrenzungen und unserer Verantwortung innerhalb der Schöpfung.
Die wahre Ordnung der Schöpfung gründet sich nicht auf dem grenzenlosen Wunsch des Menschen nach Erfüllung, sondern auf dem Prinzip von Dienst und Maß. Jeder Mensch besitzt ein ihm eigenes Maß an Gutem, ein eigenes Maß an Freude und Leid, das genau auf seine geistige Reife und Aufgabe zugeschnitten ist. Das Leben ist keine endlose Aneinanderreihung glücklicher Ereignisse, sondern eine ständige Herausforderung, über sich selbst hinauszuwachsen. Wahres Wachstum geschieht, wenn wir erkennen, dass unsere Erfüllung nicht darin liegt, alles zu bekommen, was wir wollen, sondern darin, bewusst und demütig anzunehmen, was uns wirklich zusteht.
Indem wir dienen, erfüllen wir unsere tiefste Bestimmung und finden unseren wahren Platz in der Schöpfung. Wer jedoch stets nur nimmt, was er will, verliert schließlich die Fähigkeit, die Tiefe und den Sinn des Lebens zu erfassen, und verstrickt sich in einen endlosen Kreislauf aus unerfüllten Wünschen und innerer Leere.
Um aus der spirituellen Illusion herauszutreten, müssen wir uns zuerst von der Verblendung lösen, die uns suggeriert, wir könnten grenzenlos unseren Willen durchsetzen. Die Rückkehr zur natürlichen Ordnung beginnt mit einer tiefen Einsicht in unser wahres Maß und unsere eigentliche Aufgabe. Wir müssen lernen, das Leben in seiner ganzen Tiefe und Ernsthaftigkeit zu akzeptieren, ohne ständig zu versuchen, es nach unseren Wünschen zu formen. Wahre Befreiung geschieht nicht durch äußere Macht oder materiellen Besitz, sondern durch innere Demut und bewusste Hingabe an das Höhere. Indem wir erkennen, dass unser wahrer Wert nicht darin liegt, alles zu bekommen, was wir wollen, sondern darin, in Einklang mit der universellen Ordnung zu leben, befreien wir uns von der Last des ständigen Strebens und der Unzufriedenheit.
Die Rückkehr zur Demut öffnet uns den Weg zu einer wahren, verantwortlichen Freiheit. Erst wenn wir bereit sind, uns selbst zurückzunehmen und dem göttlichen Willen zu folgen, finden wir wahre Erfüllung und inneren Frieden.
Es wird eine Zeit kommen, in der jene, die sich zu Göttern erhoben haben, die bittere Frucht ihrer Täuschungen ernten müssen. Der glänzende Turm ihrer falschen Macht und ihrer Illusionen wird einstürzen und in Trümmern zu ihren Füßen liegen. Doch inmitten dieser Krise liegt auch die Chance zur Heilung und zum Neubeginn. Denn erst wenn der Mensch erkennt, dass er nicht Herr, sondern Diener der Schöpfung ist, kann er wieder wahrhaft frei werden.
Was hier für den Einzelnen gilt, spiegelt sich ebenso in der Gesellschaft wider. Das gesamte System ist maßlos geworden, entfremdet von jeder natürlichen Ordnung, getrieben von grenzenlosem Wachstum, Selbstsucht und kurzsichtigen Zielen. Diese kollektive Maßlosigkeit wird unweigerlich zum Zusammenbruch führen: ökologisch, wirtschaftlich und sozial. Erst wenn der Zusammenbruch sichtbar wird und das System in seinen Grundfesten erschüttert ist, werden die Menschen bereit sein, sich ihrer wahren Aufgabe und Verantwortung bewusst zu werden.
In dieser Zeit des Umbruchs werden jene, die bereit sind, aus den Trümmern zu lernen und zu einer neuen, bewussteren und demütigeren Lebensweise zu finden, zur Hoffnung für alle werden. Doch die, die weiterhin an den Illusionen der grenzenlosen Macht festhalten, werden den Schmerz ihrer Ignoranz und Selbstüberschätzung umso heftiger spüren.
# TheTower
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"Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.Denn wie ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden. Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? [...]
Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. [...]
Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man denn Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln? So bringt jeder gute Baum gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Darum, an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen."
Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen, aber dieser uns letztlich (immer wieder neu) verelendende "göttliche" Stolz, diese Überheblichkeit, die sind doch sehr lebendig in uns Erd-Menschen. Wie anders könnten wir sonst heute wiedermal in einer weltweit selbstverursachten, verfahrenen "Endzeitsituation" drinstecken?
Danke André für Deinen Blick in unsere "spirituell" schillernde Welt.
Der falschen Propheten gab es zu allen Zeiten immer viel mehr, als der echten.
Was uns zu denken geben sollte ist, warum wir regelmässig, und das selbst in längst vergangenen Kulturen, immer wieder neu abfahren auf die falschen, statt die echten Propheten und so oft genug damit unser, wie auch mancher Mitmenschen Leben "vergiften". Aber keine Sorge, ganz so schnell gehts auch wieder nicht, denn auch hierfür gilt: "Die aufgenommene Dosis machts.."
So wenig wie wir unsere körperliche Gesundheit gedankenlos an andere delegieren sollten, so wenig sollten wir es mit unserer geistigen tun. In dem Sinne erinnerte Siddharta Gautama, auf den der asiatische Buddhismus zurückgeht, seine Schülern regelmässig: "Glaubt mir nicht, prüft es selbst für euch!"
Das spirituelle Angebot an Religionen, Sekten, Kulten auf unserem Erdball ist riesig, ähnlich einer shopping mall, wo man sich einmalig oder für alle möglichen Umstände etwas (wie ein neues Kleid) aussuchen kann. Denn ehrlich gesagt, an wievieles, was wir lesen oder hören in dieser Hinsicht, erinnern wir uns noch nach 4 Wochen, wieviel davon nehmen wir mit in unser tägliches Leben, wenden es an? Unsere heutige schnelllebige Zeit lässt kaum noch Platz für eine Spiritualität mit Tiefgang.
Ein tib. Lama namens Chögyam Trunkpa (Manche sagen mit einem Augenzwinkern: nomen es omen) spiegelte während seines Lebens in unserem glorreichen Westen unsere Gesellschaft wunderbar wieder. (Er verstarb leider sehr früh.) Schottland, vereinigte Staaten, Kanada. Er nannte uns "spirituelle Materialisten", und traf damit, in den allermeisten Fällen, den Nagel auf den Kopf. Und wegen des nicht tot zu kriegenden göttlichen Stolzes, unserer Überheblichkeit, sagte er seinen Schülern öffentlich, und ich glaube es war in den vereinigten Staaten, es sei wohl das beste, er würde sie täglich neu beleidigen.
Möglicherweise brächte das bessere Früchte, als traditionelle Belehrungen zu geben. Er brachte das alles natürlich mit Humor, um die Leute zum Nachdenken zu bringen.
Manchmal können solche zunächst "empörenden" Sätze, wenn auch mit einige Jahren an Zeitverzögerung, noch eine Wende bringen.
Ich weiss diese Anektdoten vom Lesen bzw. Hörensagen.
Man findet auch Videos, in denen er mit J. Krishnamurti spricht.
So schwierig uns das Leben hin und wieder vorkommt, das was geschieht ist auf seine Weise "perfekt".
Viele Menschen tun alles mögliche, damit ihnen kein "Unheil", keine Unbill zustösst.
Aber was die wenigsten je gehört haben: "Obstacles are a blessing" . M.a.W., der Mensch lernt an seinen Problemen, Schwierigkeiten, Herausforderungen.
Drum, wie es auch läuft, (und ich weiss, es ist nicht leicht zu verstehen) aber es läuft..so oder so für.. und nicht gegen uns.